Sollte es Rotwildgebiete bzw. rotwildfreie Zonen geben?

Zur Begründung für die Ausweisung von Rotwildgebieten in Hessen, wie auch in einigen anderen Bundesländern, wurde seinerzeit das Ziel genannt, dem „unerwünschten Ausbreiten des Rotwilds Einhalt zu gebieten“.

Hierzu darf wohl die Frage erlaubt sein, für wen das Rotwild unerwünscht war und ist. Sind es die Grundeigentümer und Jagdgenossenschaften oder gar die Jäger und die Naturfreunde? Sicherlich nicht! Bleibt also nur der nebulöse Gesetzgeber, der immer weiß, was richtig und gut für uns ist und dem dies nicht passt. Auch hierbei drängt sich die Frage auf, wessen Interessen dieser Gesetzgeber vertritt oder vertreten sollte.

Wäre es nicht an der Zeit, auch einmal zu fragen, was das Rotwild wünscht, wo es geeignete Lebensräume vorfindet und wo es leben möchte? Diese Tierart der offenen und halboffenen Landschaft hat der Mensch im Laufe der Zeit in den deckungsreichen Wald zurückgedrängt, dort isoliert und schließlich durch Verordnung die Grenzen der Reservaten bestimmt, bei deren Überschreitung der Abschuss angeordnet ist. Die Lebensbedingungen in den sogenannten Rotwildgebieten sind häufig suboptimal (hohe Wilddichte, mangelnde Äsung, Störungen, erhöhter Jagddruck) mit der Folge erheblicher und steigender Wildschäden (Verbiss, Schäle). Das Rotwild entwickelt sich in vielen Gebieten zum reinen Nachttier.

Die Abgrenzung der Rotwildgebiete erfolgte seinerzeit oft nicht sachgerecht (nicht Lebensräume, sondern Verwaltungsgrenzen oder waldbauliche Zielvorgaben waren das Kriterium), Wanderbewegungen werden durch die Abschusspflicht in den rotwildfreien Gebieten erschwert bzw. unmöglich gemacht. Dies alles als Ausdruck einer „rotwildfreundlichen Politik“ anzusehen, fällt schwer.

Was spricht dagegen, die Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft Lebensraum Rotwild des DJV zumindest versuchsweise umzusetzen und sog. „Rotwild-Regionen“ zu bilden, d.h. große Lebensräume, die sich aus Rotwildgebieten und den dazwischen liegenden Gebieten zusammensetzen und in denen es nach einheitlichen Konzepten und Richtlinien um eine Verbesserung der Lebenssituation des Rotwildes geht? Es ist ja nicht ganz unwahrscheinlich, dass es dabei auch zu einer Verminderung der Wildschäden kommt.

In diesem Zusammenhang ist es interessant – wenn auch nicht ganz vergleichbar – die Diskussionen und Argumente zu verfolgen, wenn es um die Erweiterung oder Wiederbesiedelung von Lebensräumen bei anderen Wildarten (Luchs, Wolf, Biber, Bär, Elch) geht. Spräche hier jemand – wie eben beim Rotwild – von einer „unerwünschten Ausbreitung“, so würde er sicher öffentlich gesteinigt.

Hans-Kurt Köhler