Das Problem der Inzuchtgefahr des Rotwildes im GIESELER FORST
Die Meldung der nachstehend aufgezeichneten Tafel 118 im Regionalsender des hessischen Fernsehens vom 09.05.2022 hat mich dazu angeregt, nachstehenden Beitrag in den Vereinsnachrichten der Jäger- und Gebrauchshundevereinigung RHÖN-VOGELSBERG e.V. zu veröffentlichen.
Inzucht bedroht Wildbestand. Wildbiologen und Jäger sehen den gesunden Bestand des Rotwildes in Hessen in Gefahr. Ursache ist ein Inzucht problem. Nach Ansicht der Experten ist der genetische Austausch unter den Tieren zu gering. Als Grund wird unter anderem das wachsende Autobahnnetz und die Zersiedlung der Landschaft genannt, die den Lebensraum der Wildtiere einengen und zerschneiden. In Hessen gibt es rund 20 Rotwildgebiete. Durch die Isolation könnten sich schadhafte Gene aus breiten. So seien in Hessen bereits sechs Kälber mit verkürztem Unterkiefer entdeckt worden.
Die Studie „Sicherung der genetischen Vielfalt beim hessischen Rotwild als Beitrag zur Biodiversität“ der beiden Wissenschaftler der Universität Gießen vom Oktober 2019 von Prof. Dr. Dr. habil Gerald Reiner und Prof. Dr. Hermann Willems hat sich speziell mit diesem Problem für alle hessischen Rotwildgebiete intensiv auseinandergesetzt. Die in dieser Studie sehr umfangreichen Kenntnisse, ebenso wie weitere Ausführungen von Herrn Prof. Dr. Dr. Reiner, die Inhalt seines Statements am 09.07.2022 anlässlich des Tages des Rotwildes in Klein-Heilig-Kreuz waren, sind gleichermaßen die Ursache und Grundlage für meine nachfolgenden Ausführungen und Empfehlungen.
Die beiden Wissenschaftler beschreiben in ihrer Studie Inzucht folgendermaßen:
Ein Kalb erbt jeweils eine Genvariante (unterschiedliche Erbanlage) vom Vater und eine von der Mutter. Es kann sein, dass es sich dabei um dieselbe Genvariante handelt, wenn beide Elterteile diese Variante von einem gemein samen, durchaus auch weiter zurückliegenden Vorfahren erhalten haben. Das Kalb wird damit homozygot (mit gleichen mütterlichen und väterlichen Erbanlagen versehen). Ist die Variante defekt, kommt es zur Inzuchtdepression (Verlust genetischer Fitness). Die Chance auf eine solche Inzucht steigt, je weniger Tiere in kleinen Populationen zur Verfügung stehen, je weniger Genvarianten (genetische Vielfalt) in der Population vorhanden sind und je schwächer der Austausch mit Nachbarpopulationen ist, die neue Genvarianten einbringen könnten.
Dies zu Grunde legend möchte ich nachstehend speziell für das Rotwildgebiet GIESELER FORST die besonders gravierende Inzuchtsituation darstellen und abschließend Wege aufzeigen, die dieser unerwünschten Situation entgegenwirken. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist sowohl eine möglichst exakte und belastbare Gesamtbestandanalyse der Rotwildpopulation, als auch die entsprechende Einschätzung der Geschlechter- und Altersstrukturen. Wie bereits hervorgehoben, verhindern niedrige Gesamtbestände einen großzügigen Genaustausch. Kommen unbefriedigende Sozialstrukturen hinzu, so erhöht dies die Gefahr der Inzucht zusätzlich. Die Folgen sind körperliche Fehlentwicklungen, Unfruchtbarkeit und eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit.
Ursachen für diese Fehlentwicklung
Im Rotwildgebiet GIESELER FORST hat die brutale Bestandesreduzierung der fünf Jagdjahre 2014/15 bis 2018/19 – wie nachfolgend dargestellt – wohl aufgrund hoher Schälschäden, die bereits davor schon unbefriedigenden Alters- und Geschlechterstrukturen noch einmal deutlich verschärft
Gesamtabschussergebnisse der Jagdjahre 2000/01 bis 2021/22 In den 8 Jagdjahren 2000/01 bis 2007/08 Jahresdurchschnitt 98,5 Stücke In den 6 Jagdjahren 2008/09 bis 2013/14 Jahresdurchschnitt 144,6 Stücke In den 5 Jagdjahren 2014/15 bis 2018/19 Jahresdurchschnitt 306,8 Stücke Im Jagdjahr 2019/20 Gesamtabschuss 168 Stücke Im Jagdjahr 2020/21 Gesamtabschuss 137 Stücke Im Jagdjahr 2021/22 Gesamtabschuss 114 Stücke
Trotz intensiver Bejagung konnte das Abschusssoll in den Jagdjahren 2019/20 bis 2022/23 bei Weitem nicht mehr erfüllt werden, und das wird permanent zunehmend deutlicher.
Nach Rücksprache mit jagdlich erfahrenen Forstleuten und Revierinhabern von Hochwildrevieren im Rotwildgebiet GIESELER FORST schätze ich den Rotwildbestand per 01.04.2022 wie folgt ein:
Gesamtbestand: etwa 200 Stück. Davon sind etwa 65 Stücke männlich und 135 Stücke weiblich. Das entspricht einem Geschlechterverhältnis von etwa 1 zu 2.
Bezogen auf die Siedlungsdichte bei der Holzbodenfläche von etwa 15.000 Hektar ist das ein Bestand von 1,33 Stücke auf 100 ha. Nach WAGENKNECHT liegt er im unteren Bereich der Bewirtschaftbarkeit einer Rotwildpopulation. Die bejagbare Fläche beträgt 27.269 Hektar.
Vor den fünf Jagdjahren 2014/15 bis 2018/19, in denen die extrem hohen Abschüsse getätigt wurden, schwankte die Siedlungsdichte etwa um 2,5 bis maximal 3,0 Stücken auf 100 ha Holzbodenfläche im Rotwildgebiet GIESELER FORST. Die Bestandesdichte von 2,5 Stücken auf 100 ha war, und sie wäre auch zu der heutigen Zeit bei einer besseren Pflege der vorhandenen Habitatsverhältnisse, absolut naturverträglich. Auch würde sie deutlich spürbar, bei geduldeten und ungestörten Fernwechseln die Inzuchtgefahr reduzieren, denn eine höhere Bestandesdichte führt zu höheren Wechselbewegungen.
Das Grundübel des Inzuchtproblems ist allgemein die Verordnung und Einrichtung von Rotwildgebieten. Nur in diesen wird das Rotwild von dem Gesetzgeber geduldet. Will man aber die Inzuchtprobleme vermeiden, dann muss dem Rotwild zugestanden werden, seinen Lebensraum und sein Verbreitungsgebiet selbst zu wählen, soweit nicht übergeordnete und stichhaltige Gründe dagegen sprechen. Eine derartige Entwicklung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber leider nicht erkennbar. Aus diesem Grunde müsste man dann aber zumindest, um der akuten Inzuchtgefahr erfolgreich entgegenzuwirken, es dem Rotwild ermöglichen, die noch bestehenden und nicht durch Autobahnen und anderen Verkehrswegen oder weiteren Hindernissen vorhandenen Fernwechsel und Wanderkorridore ungehindert benutzen zu können. Leider ist auch eine solche Einstellung des Gesetzgebers zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht wahrnehmbar. Das Aufgeben dieser falschen Einstellung wäre dann aber, will man erfolgreich dieser existenzgefährlichen Entwicklung der Inzuchtgefahr entgegenwirken, zwingende Voraussetzung und eine Mindestanforderung
Wie entstand das Rotwildgebiet GIESELER FORST?
Gemäß dem Gebiets-Lebensraum-Gutachten und Umsetzungskonzept Rotwildgebiet GIESELER FORST (Herbst 2017) entwickelte sich das Rotwildgebiet GIESELER FORST wie nachstehend beschrieben:
Im April 1955 regte das Fachministerium eine gemeinsame Bewirtschaftung der Rotwildgebiete „Vogelsberg“ und „Gieseler Forst“ mit der Begründung an, dass zwischen beiden Gebieten ein reger Wechsel bestehe und dass aus Gründen der Wildschadensminderung eine rationelle und großräumige Bewirtschaftung angezeigt sei. Trotz Zustimmung der oberen Jagdbehörde und der Forstabteilungen der Behörden in Kassel und Darmstadt kam eine entsprechende Regelung nicht zustande, da ein großer Privatwaldbesitzer die Einbeziehung seiner Flächen ablehnte.
1956 wurde von der Forstabteilung des Regierungspräsidiums Kassel eine Neuabgrenzung des Rotwildgebietes einschließlich der benachbarten Wintereinstände vorgenommen. Diese Wintereinstandsgebiete wurden 1969 in das Rotwildgebiet eingegliedert. Im Juli 1970 wurde dann eine Neuabgrenzung des Rotwildgebietes festgelegt: Die Flächengröße wurde mit rd. 31.600 Hektar angegeben
Der Vorschlag des RP Kassel an das Ministerium, das Rotwildgebiet um einen Waldanteil im Schlitzer Land in der Größe von ca. 1000 Hektar, den das Land Hessen angekauft hatte, zu erweitern, lehnte das Ministerium 1972 ab. 1980 erfolgte durch die Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Kassel eine erneute Neuabgrenzung des Rotwildgebietes unter Einbeziehung der staatlichen Wälder im „Schlitzer Land“.
Durch das Verwaltungsstreitverfahren der Stadt Hünfeld, in Gemeinschaft mit den gemeinschaftlichen Jagdbezirken Rückers, Dietershan, Marbach, Oberfeld und Oberleimbachshof, vertreten durch die Stadt Hünfeld, und unterstützt durch die intensive fachliche Beratung der Rotwildhegegemeinschaft GIESELER FORST gegen das Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsi dium in Kassel, konnte eine Abtrennung – verbunden mit einem Totalabschuss – für das Rotwild in dem gesamten Gebiet rechts der Autobahn A7 verhindert werden. Eine ganz wichtige, vielleicht sogar eine existenzielle Entscheidung!
Wechselbewegungen mit benachbarten Rotwildgebieten
Welche Wechselbewegungen des Rotwildes finden zwischen dem Rotwildgebiet GIESELER FORST und benachbarten Rotwildgebieten statt?
1. Rotwildgebiet HOHER VOGELSBERG und dem GIESELER FORST: Hier finden die von Eberhard Schlegel und mir seit Jahrzehnten festgestellten und von Dr. Wölfel bestätigten Wanderbewegungen auf mehreren Korridoren, die sich permanent über das ganze Jahr erstrecken, statt. Sie erfolgen alljährlich, verstärkt zur Brunft und regelmäßig bei Wintereinbrüchen, in denen das Wild aus dem hohen Vogelsberg in die niedriger gelegenen Gebiete des GIESELER FORST ausweicht. Anlässlich dieser Wanderbewegungen werden diese nachstehend aufgezeigten Korridore auch teil- und zeitweise als Einstandsgebiet in Anspruch genommen. Verlauf: A) Südlich des Obermooser Teiches, des Reichloser Teiches, Gemarkung Reinhards, Klosterwald nördlich von Hintersteinau, über Steinerne Hütte, a) in Richtung Gräfenberg, b) Richtung Gefels. B) Nördlich des Rodenbachteiches, entlang des Eschenbaches und weiter entlang des Schwarzellerbaches in den Hellberg der Revierförsterei Hauswurz. C) Eichelhain, Lanzenhain, Altenschlirf, Steinfurt, Himmelsberg
2. Rotwildgebiet NÖRDLICHER VOGELSBERG und dem GIESELER FORST: Auch hier finden – zwar nicht in der Regelmäßig- und Häufigkeit wie zwischen dem HOHEN VOGELSBERG und dem GIESELER FORST – Wechselbewegungen des Rotwildes über die Gebiete des Auerberges und des Eisenberges in die staatlichen Wälder des „Schlitzer Landes“ statt. Wanderungen zwischen dem HOHEN VOGELSBERG und NÖRDLICHEN VOGELSBERG sind häufig und die Regel. Sie fördern so zusätzlich einen Genaustausch zwischen dem NÖRDLICHEN VOGELSBERG und dem GIESELER FORST:
3. Rotwildgebiet SEULINGSWALD und dem GIESELER FORST: Bei den historischen Fernwechseln zwischen dem Rotwildgebiet SEULINGSWALD und dem GIESELER FORST haben sich keine gravierenden negativen Veränderungen wie z.B. Autobahnbau oder Ähnliches ergeben, sodass die dort bestehenden Fernwechsel weiterhin in Anspruch genommen werden können. Die Nähe der Rotwildgebiete SEULINGSWALD zum KNÜLL unterstreicht diese Verbindung.
4. Rotwildgebiet THÜRINGER WALD und dem GIESELER FORST: Dieser früher intakte Fernwechsel wurde durch den undurchlässigen Grenzzaun zur ehemaligen DDR völlig unterbrochen. Nach einer gewissen Zeit der Entfernung des Grenzzaunes unterrichtete mich Herr Alfred Lühn aus Hünfeld darüber, dass wieder Kahlwildrudel, sowohl gemäß Fährtennachweisen als auch durch Beobachtungen, den früheren Fernwechsel wieder in Anspruch genommen hätten. Herr Helmut Ender, stellvertretender Vorsitzender der Rotwildhegegemeinschaft WESTLICHER THÜRINGER WALD, bestätigte eine Wiederbelebung dieses Fernwechsels aufgrund der Wechselbewegungen von Kahlwild und auch jüngeren Hirschen.
5. Rotwildgebiet SPESSART und dem GIESELER FORST: Durch den Bau der Autobahn A 66 Fulda-Frankfurt und die stark frequentierten Bundesbahnstrecken Fulda – Frankfurt und Fulda – Würzburg wird dieser ehemalige Fernwechsel nicht mehr in Anspruch genommen und ist somit erloschen.
Lebensbedingungen für einen gesunden Rotwildbestand
Unser Rotwild, ebenso wie auch die anderen heimischen Wildarten, ist ein fester Bestandteil unserer Waldökosysteme und Offenlandbiotope. Sie haben sich in der bis heute entwickelten Kulturlandschaft etabliert und sind ebenso wie die Pflanzen ein fester Bestandteil unserer Natur. Zur Existenzsicherung des Rotwildes sind vor allem die beiden nachstehenden Bedingungen Voraussetzung:
1. Die Habitatsverhältnisse müssen den Lebensansprüchen des Rotwildes gerecht sein. Konflikte entstehen in diesem Zusammenhang weniger zwischen Wald und Wild sondern vielmehr zwischen den Interessengruppen. Klammert man diese hier einmal aus, so sind diese Habitatsansprüche im Rotwildgebiet GIESELER FORST vorhanden. Sie sind sowohl in dem Gutachten von WÖLFEL (Abtrennungsverfahren Land Hessen) bestätigt, als auch durch das Gebiets-LebensraumGutachten der Rotwildhegegemeinschaft GIESELER FORST 2017 nachgewiesen, sodass an dieser Stelle nicht mehr näher darauf eingegangen werden muss.
2. Die weitere wichtige Voraussetzung für den Erhalt einer gesunden vitalen Rotwildpopulation ist die Sicherung ihrer genetischen Vielfalt. Diese ist nicht nur in Hessen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nach der gesetzlichen Einführung der Rotwildgebiete – anfänglich zwar schleichend, dann aber permanent zunehmend – verloren gegangen.
Die DEUTSCHE WILDTIERSTIFTUNG hat im ersten Jahrzehnt des 21.Jahunderts mehrere Symposien, die sich mit den deutschen Rotwildproblemen auseinandersetzten, an denen auch hohe Politiker, wie ich erleben konnte teilnahmen, veranstaltet. In den Jahren 2006 und 2008 behandelten und wiesen dort (s. Tagungsbände zum Rotwildsymposium der DEUTSCHEN WILDTIERSTIFTUNG) zahlreiche sowie namhafte und anerkannte Wissenschaftler ebenso wie Praktiker speziell und warnend auf das Problem der Inzuchtgefahr und Entwicklung in deutschen Rotwildgebieten hin. Offenbar ohne jeden Erfolg.
Der fortschreitende Flächenverbrauch für Verkehrswege und andere öffentliche Einrichtungen schränkt den Genaustausch des Rotwildes zusätzlich ein und steigert so eine nicht gewollte Inzuchtentwicklung. Diese Entwicklung kann, durch Einrichtung von Ruhezonen und Schaffung von Äsungsflächen, nur teilweise kompensiert werden.
Viele Inzuchtfolgen bleiben oft sehr lange unerkannt. Man sieht einer Population zunächst die Inzuchtbeeinflussung nicht an. Missbildungen und Krankheitsanfälligkeit sind daher oft zunächst unsichtbar und fallen, wenn überhaupt, häufig erst verspätet auf wie zu Beispiel Blindheit, Gehörschäden oder auch andere Mängel.
Kleinere Populationen sind in der Regel mit weniger Genvarianten ausgestattet.
Für seine Erhaltung und den Fortbestand einer Population hat die Inzucht verheerende Folgen. Mit Inzucht belastete Föten sterben häufig vorzeitig ab und werden ausgeschieden. Von den mit Inzucht belasteten Individuen rechnet man mit einem Nachwuchs von etwa 20 %.
Wildpopulationen mit einer Bestandeshöhe von unter 100 Individuen haben ebenso wie Populationen ohne jeden Genaustausch keine Zukunft. Selbst eine Blutauffrischung von 10 bis 20 Stücken sind nicht in der Lage die Inzuchtgefahr einer Population längerfristig zu beseitigen.
Die beiden Professoren REINER und WILLEMS stellen in ihrer Studie in diesem Zusammenhang u.a. fest:
„Besonders prägnant ist die Situation für die kleinen isolierten Populationen für die Gebiete […], des Vogelsbergs NÖRDLICHER, HOHER VOGELSBERG und GIESELER FORST. Letztere profitieren allerdings davon, dass sie noch miteinander im Austausch stehen“.
Ein Zusammenhang der effektiven Populationsgröße mit dem Inzuchtzuwachs ist bei den Hessischen Rotwildgebieten WATTENBERG-WEIDELSBURG, PLATTE, NÖRDLICHER VOGELSBERG; KROFDORFER FORST, GIESELER FORST, KNÜLL und HINTERLANDSWALD bereits deutlich erkennbar.
Die schlechten Alters- und Geschlechterstrukturen im GIESELER FORST sind ein zusätzlicher Weiser für den desolaten Zustand seiner Population.
Will man dieser Entwicklung erfolgreich begegnen, muss in naher Zukunft eine grundsätzliche Änderung eintreten. Diese im Detail hier zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Sie kann auch nur dann gelingen, wenn die Hegegemeinschaften und der Landesjagdverband in ihrer Einflussnahme auf die jagdliche Gesetzgebung entscheidend einwirken können und so einer Verinselung von Populationen entgegenwirken. Die in dem Gutachten GIESELER FORST 2017 geforderte Erweiterung des Rotwildgebietes um Flächen des Schlitzerlandes und die der Gemarkung Flieden wäre zu realisieren.
Wildschäden und Bestandesdichte, Jagd und Schonzeiten
Es soll in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden, dass pflanzenfressendes Schalenwild Verbissund Schälschäden im Wald verursacht. Das ist auch bis zu einem gewissen Grad zu akzeptieren und ist auch im untersten Bereich die Praxis. Falsch ist die Meinung von selbsternannten Naturschützern und einigen Forstleuten, dass man möglichst viel Rot- und Rehwild erlegen müsse, damit der Wald von alleine wächst.
Eine Bestandesdichte allein von Schälergebnissen abhängig zu machen, ist völlig irrsinnig. Intensive Jagdmethoden und die besonders in Hessen verlängerten Jagdzeiten vermindern nicht, sondern erhöhen die Wildschäden deutlich. Der Schmalspießer- und Schmaltierabschuss in den Monaten April und Mai ist völlig unsinnig. PETRAK 2020 stellte fest, dass „der April eindeutig noch als Notzeit mit hohem Ruhebedürfnis anzusprechen ist.“ Bewegungsjagden im Januar sind absolut schädlich. Das Wild braucht ab Januar Ruhe. Wird es zu dieser Zeit intensiv bejagt, kann es nur mit erhöhter Aktivität d.h. erhöhten Schäden reagieren.
Hauptursächlich für diesen schlimmen Zustand in Hessen ist die feindliche Einstellung der GRÜNEN gegenüber dem wiederkäuenden Schalenwild. Eine Partei, die sich zwar als Naturpartei ausgibt, das pflanzenfressende Schalenwild aber, das nach ihrer Argumentation den Wald auffrisst, mit geradezu allen Mitteln bekämpft. Nach ihrer irrigen Auffassung ist das Wild und nicht der Käfer und die Klimaeinflüsse das Hauptproblem des Waldes.
Diese Problematik sollte der Gesetzgeber bei seinen in Hessen rechtlich oft höchst fragwürdigen Praktiken, sowohl bei der Novellierung von Jagdgesetzen, als auch bei seiner Veränderungswut von Jagdverordnungen, in Zukunft besser bedenken. Die dafür Verantwortlichen, die grüne Ministerin Frau Priska Hinz mit den beiden Waldpäpsten im Ministerium Carsten Wilke und bei HESSEN-FORST Michael Gerst, die zwar weisungsgebundene Beamte sind, die Ministerin aber auch fachlich beraten, könnten bei den Wahlen in Hessen von dem Wähler, dem Souverän der Demokratie des Landes, im Herbst dieses Jahres die „gelbe oder rote Karte“ – wie von Heinz Erhardt nach stehend beschrieben – gezeigt bekommen.
Es war einmal ein grauer Spatz, der saß ganz oben auf dem Dache, und unten hielt die Miezekatz schon seit geraumer Weile Wache. Da sagte sich das Spätzlein keck: „Mich kann das Biest nicht überlisten!“ Bums kam ein Habicht um die Eck und holte sich den Optimisten. So kann es allen denen gehen, die glauben, nur sie wär’n die Schlauen. Man darf nicht nur nach unten sehn, man muss auch mal nach oben schauen.
Heinz Erhardt
Der völlige Verzicht auf den Fortbestand von Rotwildgebieten in Hessen – analog zu anderen Bundesländern – wäre eine schnell wirksame und auch kostenneutrale Maßnahme zur Eindämmung der Inzuchtgefahr für unser Rotwild.
Heribert Kempf
Von den Anfängen und der weiteren Entwicklung der Rotwild-Hegegemeinschaft und des Rotwildgebietes “Gieseler Forst”
Nach dem zweiten Weltkrieg erhielten die Jäger in der Bundesrepublik im Jahre 1950 die Jagdhoheit zurück. Erwerb und Besitz von Jagdwaffen war wieder möglich, wenn auch bestimmte Beschränkungen (Gesetz der Alliierten Hohen Kommission) weiterhin bestehen blieben. Die Zuständigkeit für das Forst- und Jagdwesen ging vom Reich wieder auf die Bundesländer über.
Im Staatswald des Landes Hessen war weiterhin ein beträchtlicher Anteil des Abschusses (zunächst 50% des männlichen Schalenwildes) für die Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte vorbehalten.
Die jagdrechtlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik wurden durch das Bundesjagdgesetz vom 29.11.1952 (in Kraft zum 1.4.1953) als Rahmengesetz geordnet und damit das Reichsjagdgesetz von 1934 abgelöst. In Hessen wurde dieser Rahmen durch das Ausführungsgesetz (HAG) zum Bundesjagdgesetz vom 24.3.1953 und die Durchführungsverordnung (DVO) vom 8.4.1953 ausgefüllt.
Bereits am 7.5.1952 wurde in Fulda ein Rotwild-Hegering unter Vorsitz von Landrat Georg Stieler und unter Einbeziehung der staatlichen Forstämter Fulda-Süd (Fmstr. Lappe), Großenlüder (FAm. Simshäuser) und Neuhof-West (Fmstr. Heffter) gegründet und eine Satzung erarbeitet.
Mit Rundverfügungen vom 15.5.1953 und 7.7.1953 des Regierungspräsidenten (RP) in Kassel wurden im Regierungsbezirk 9 Rotwild-Gebiete – darunter “Gieseler Forst” – ausgewiesen und vorläufig abgegrenzt. Zusätzlich wurden vom RP zusammen mit der Forstabteilung, dem Jagdbeirat und dem Jagdberater allgemeine Richtlinien ausgearbeitet, die sich mit der Bestandsermittlung (Wildzählung) und der Abschussfestsetzung befassten.
Mit Erlass vom 25.4.1955 regte das Fachministerium eine gemeinsame Bewirtschaftung der Rotwildgebiete “Vogelsberg” und “Gieseler Forst” an, da zwischen den beiden Rotwildgebieten ein ständiges Hin- und Herwechseln des Wildes bestehe und da im Interesse einer Abstellung des Wildschadens einerseits und einer rationellen und großräumigen Bewirtschaftung andererseits eine andere Regelung als seither angezeigt sei. In einer mit diesem Erlass einberufenen Besprechung zwischen den oberen Jagdbehörden und den Forstabteilungen der RPs Kassel und Darmstadt und der Waldgesellschaft der Riedesel lehnte Freiherr von Riesesel die Einbeziehung seiner Waldungen ab.
Mit der Rundverfügung vom 25.10.1956 wurde unter Berücksichtigung der von den unteren Jagdbehörden und den staatlichen Forstmeistern eingereichten Vorschläge und im Einvernehmen mit der Forstabteilung des RP die Abgrenzung des Rotwildgebietes “Gieseler Forst” einschließlich der diesem Gebiet benachbarten Wintereinstände vorgenommen.
Zur Beantwortung einer Landtagsanfrage berichtete der Landrat am 16.8.1965, dass im hiesigen Rotwildgebiet ein Geschlechterverhältnis von 1: 1,36 und eine Wilddichte von 1,38 je 100 ha Wald-/Jagdfläche bestand. Wegen der Gemengelage von Wald und Feld im Westteil sei eine Trennung nach Wald- und Jagdfläche nicht möglich.
Auf Vorschlag des Landrates in Fulda vom 8.8.1968 hatte der RP in Kassel am 3.9.1969 die Eingliederung des Wintereinstandsgebiets in das Rotwildgebiet genehmigt. Der Begriff “Wintereinstandsgebiet” wurde nachfolgend in Hessen nicht mehr verwendet.
Am 4.2.1970 fand auf Einladung des KJB Orlob eine “Wiederbelebungsversammlung” des Hegerings statt, nachdem es nach der Pensionierung des Hegeringleiters OFM R. Heffter über 6 Jahre lang keine Versammlung mehr gegeben hatte. Ein neuer Vorsitzender fand sich nicht, als Zwischenlösung wurden die Herren Hartung und Kempf zusätzlich in ein sog. “Abschussgremium” delegiert, was auf eine seinerzeit gute Vertrauensbasis und Zusammenarbeit zwischen den grünen und den grauen Jägern schließen lässt.
Mit Verfügung des RP Kassel vom 20.7.1970 an den Landrat des LK Fulda wurde dann – unter Berücksichtigung der vom Landrat eingereichten Vorschläge und im Einvernehmen mit dem Bezirks-Jagdbeirat und dem Bezirksjagdberater – die Neuabgrenzung des Rotwildgebietes “Gieseler Forst” vorgenommen. in dieser Verfügung wurde die Flächengröße mit rd. 31.600 ha angegeben.
Nach wiederholten Anregungen des Landrates berichtete der RP Kassel am 4.11.1971 an den Minister für Landwirtschaft und Umwelt, dass es sinnvoll erscheine, das Rotwildgebiet “Gieseler Forst” um einen Waldteil im Bezirk Darmstadt (FA Grebenau) in der Größe von ca. 1.000 ha, den das Land von dem Grafen Görtz angekauft hatte, zu erweitern. Zustimmend äußerte sich auch der RP Darmstadt in seinem Bericht.
Am 26.9.1972 lehnte der Minister diesen Antrag ab und schloss sich dabei den Argumenten der Stadt Schlitz, des FA Grebenau, des Landwirtschaftsamtes, des Kreisagrarausschusses und des Kreisbauernverbandes des Landkreises Lauterbach an, die sich gegen die Erweiterung des Rotwildgebietes “Gieseler Forst” in den Vogelsbergkreis ausgesprochen hatten.
Mit der Gebietsreform 1972 wurde der LK Hünfeld dem LK Fulda zugeordnet und der Landrat des LK Fulda als Rotwildbehörde für das Rotwildgebiet “Gieseler Forst” bestätigt. Die untere Jagdbehörde des Magistrats der Stadt Fulda entfiel.
In einer Verfügung der Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Kassel vom 19.3.1980 erfolgte im Einvernehmen mit der BFN in Darmstadt, sowie des Jagdbeirates und des Bezirksjagdberaters in Kassel eine Neuabgrenzung des Rotwildgebietes “Gieseler Forst”. Hierbei wurden die zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform und die Neugliederung der Staatsforstverwaltung berücksichtigt. Die Zuständigkeit der Forstbehörden in den staatseigenen Jagden (untere Jagdbehörden) blieb dabei unberührt (§ 17 Abs. 2 Ziffer 3, letzter Halbsatz der DVO). Die tragbare Wilddichte für das Rotwildgebiet wurde mit Wirkung vom 1.4.1972 auf 2.0 Stück je 100 ha Waldfläche festgesetzt.
Seit dem 1.1.2000 ist die untere Jagdbehörde auch für die staatlichen Verwaltungsjagdbezirke zuständig. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Aufgaben und Befugnisse der Jagdbehörden für die Staatsforsten von den zuständigen Forstbehörden wahrgenommen.
Innerhalb der Hegegemeinschaft war das Verhältnis zwischen der privaten Jägerschaft und Forstbeamten lange Zeit gut und von gegenseitigem Vertrauen bestimmt. Gemeinsame Gesellschaftsjagden stärkten das gute Einvernehmen. Die starken Reduktionsabschüsse in den Kerngebieten in den 80er Jahren und nach den Sturmschäden ab 1990 wirkten sich nachteilig auf die Jagdmöglichkeiten in den angrenzenden Privatrevieren aus. Dies führte in den folgenden Jahren zu einer zunehmenden Konfrontation und zu Schuldzuweisungen zwischen den Gruppen wie auch innerhalb der Privatjäger.
Um den zur Hegegemeinschaft gehörenden Privatreviere möglichst ausgewogen eine Bejagung zu ermöglichen, wurde ein Gruppenabschuss geplant und festgesetzt. Hierzu wurden zunächst (1973) 8 Gruppen gebildet, 7 Gruppen für die Privatreviere und eine Gruppe für die seinerzeit 5 FÄ. Nachfolgend wurden die Privatgruppen zunächst von 7 auf 4 reduziert, ab dem JJ 2002/2003 gab es dann noch zwei Gruppen für die Privatreviere und je eine für die FÄ Neuhof und Fulda. Ab dem JJ 2011/2012 gibt es noch zwei Gruppen, eine Gruppe für die GJB, EJB und die verpachteten forstfiskalischen EJB und eine zweite Gruppe für die FÄ Fulda und Burghaun.
Derzeit umfasst das RWG eine Gesamtfläche von rd. 30.000 ha bei einer bejagbaren Fläche von 27.269 ha. Der Waldanteil beläuft sich auf 15.423 ha, das sind rd. 56% der bejagbaren Fläche.
Zur Hegegemeinschaft gehören (Stand 2017) 30 gemeinschaftliche Jagdbezirke, 3 private Eigenjagdbezirke, 13 verpachtete forstfiskalische Eigenjagdbezirke, sowie die Regiejagdflächen von Hessen-Forst der Forstämter Fulda und Burghaun.
Kempf/Köhler 15.12.2011