Haben Sie einmal in einem urigen oberbayerischen Gasthof beobachtet, wenn eine Rotte Holzknechte sich nach getaner Arbeit um den besten Platz vor dem Zapfhahn an der Theke kampelt? Es gibt eine Parallele zu diesem Geschubse und Gedränge. Wenn sich zum Beispiel die sieben Jahre alte Bayerische Gebirgsschweißhündin „Quitte“ des bachrainer Nachsuchenführers Uwe Witzel zur Seite legt. Dann gibt es für ihren sechsköpfigen Nachwuchs kein Halten mehr, der Kampf um die Muttermilch wird je nach Alter der Welpen anfangstolpatschig später dann mit einer gehörigen Portion Durchsetzungsvermögen geführt. Am 29. Mai 2020 erblickten 4 Rüden und 2 Hündinnen das Licht der Welt. Und in Jägerkreisen knüpft man große Hoffnungen an die Anlagen des Nachwuchses, gehören doch Bayerische Gebirgsschweißhunde zusammen mit den Hannoverschen Schweißhunden sozusagen zur Championsleague in Sachen Nachsuche.

Mittlerweile sind die kleinen Racker vom Frühsommer 20 in alle Winde zerstreut, einer blieb im Hause Witzel, einer heimatnah bei dem Müser Nachsuchenspezialisten, Michael Köhl. Am weitesten verschlug es „Solo“, der von dem schwedischen Berufsjäger und Wildmeister, Linus Lydeking, ins südschwedische Skane „entführt“ wurde.

Dass Uwe Witzel mit „Quitte“ bereits auf den zweiten Wurf blicken kann, entsprach nicht unbedingt der Witzel’schen „Familienplanung“. „Eigentlich wollt ich einen Rüden“, erinnert sich der Mitarbeiter von Fraport sieben Jahre zurück. Doch dann hielt er die aus Mannheim stammende Hündin in den Händen, die unter ihrem neuen Herrchen großes Potential andeutete. Besonders auf der roten Fährte des Schwarzwildes zeigte sie immer wieder ihre Passion und erhielt schließlich bei einer Hauptprüfung nach fünf Kilometer langer Riemenarbeit und 45-minütiger Hetze den ersten Preis. „Diese Hündin will ich in der Zucht haben“, sagte darauf Thomas Schneider, Zuchtwart im Klub der Bayerischen Gebirgsschweißhunde. Der Startschuss für den Zwinger „von den Röther Tannen“ war gelegt. „Meine Frau ist Kummer gewöhnt“, sagt Uwe Witzel und lächelt verschmitzt in Richtung seiner Frau Dorothea, um fast im gleichen Atemzug ihr ein großes Kompliment zu machen: „Meine Frau zieht mit, ohne eine verständnisvolle Partnerin kann man eine verantwortungsvolle Hundezucht nicht auf die Beine stellen.“ Und „Quitte“ überzeugte nicht nur durch Leistung in der Praxis. Ihre Prüfungsergebnisse, HD-Werte und der Formwert „vorzüglich“ machten sie zu einer der besten Hündinnen in der Zuchtplanung des Klubs für Bayerische Gebirgsschweißhunde 1912 e.V., was den Klub auch dazu veranlasste, Quitte mit ihrem Führer im Dezember 2019 zu einer internationalen Hauptprüfung, dem „Gierszewski Memorial“ nach Schlesien zu schicken, wo sie als einziger deutscher Schweißhund unser Nachsuchenwesen repräsentieren konnte.

Wie kommen sie nun zusammen, die an Welpen interessierten Jägerinnen und Jäger und die Züchter? Man könnte salopp sagen, das Procedere würde einer englischen Elite-Uni zur Ehre gereichen. Zunächst einmal muss der Welpenkäufer in spe einen Paten finden, der im Klub für Bayerische Gebirgsschweißhunde etabliert ist und sich für die Aufnahme des Bewerbers stark macht, denn die Hunde werden nur an Vereinsmitglieder vermittelt. „Schon lange vor dem Deckakt gibt es eine Bewerberliste, die bei Quitte rund 30 Interessenten umfasste. Zusammen mit dem Zuchtwart sucht der Züchter dann die Käufer aus“, erklärt Uwe Witzel. Die nächste Hürde: „Übung macht den Meister“, sagt Uwe Witzel und weiter: „Wer nur für das eigene Revier einen Schweißhund braucht, bekommt von uns keinen. Um wirklich gut zu werden, braucht ein Schweißhund mindestens 50 Nachsuchen im Jahr.“ Es geht also schlicht um die Bereitschaft, zusammen mit anderen Schweißhundeführern an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erreichbar zu sein. Sei man selbst verhindert, müsste ein anderer Schweißhundeführer einspringen, um die manchmal Kreis- und Landesgrenzen überschreitenden Nachsuchen möglichst zeitnah in Angriff nehmen zu können. „Um diesem Anspruch gerecht zu werden, stellen wir alles andere zurück, ich zum Beispiel übernehme am Frankfurter Flughafen fast ausschließlich Nachtschichten.“ So kommt das Gespann, Uwe Witzel und seine Quitte, mittlerweile auf rund 150 Nachsuchen pro Jahr, ca. 600 Mal waren die beiden in ihren Jägerleben schon zusammen auf der Wundfährte. Dass es wegen der Welpenvergabe schon einmal den einen oder anderen Vorwurf mit dem Seitenhieb in Sachen Arroganz gibt (damit müssen sich übrigens auch die Führer der Hannoverschen Schweißhunde vom Verein Hirschmann auseinandersetzen), lässt Uwe Witzel eher kalt. „Das wäre mir zu blöd, mich darüber zu ärgern. Wir wollen nur, dass die Hunde viel Beschäftigung finden und ich habe gar keine Vorbehalte, an einen Erstlingsführer zu verkaufen, denn die geben sich mit den Hunden erfahrungsgemäß sehr viel Mühe“, sagt Uwe Witzel.

Nachtrag: Am 09. Januar 2021 hat Quitte vom Pfingstberg im Einsatz auf einer Hetze ihr Leben lassen müssen. Der plötzliche Verlust eines Hundes, mit dem man so viele Erlebnisse hatte, schmerzt sehr. Quitte hinterlässt große Pfotenabdrücke. Vielleicht kann ihre Tochter „Smilla“ diese irgendwann annähernd ausfüllen. Die Anforderungen an eine Hündin, um zuchttauglich zu werden, sind im KBGS sehr hoch. „Ob es mir ein zweites Mal gelingt, diese zu erfüllen, steht in den Sternen.“ So ist es nach Quittes Tod mehr als fraglich, ob es noch weitere „Röther Tannen“ geben wird, oder ob es bei Quittes 16 Nachkommen bleiben wird.

Uli Schmid – Pressesprecher